„Es ist, wie es ist, sagt die Liebe …“, heißt es in dem schönen Gedicht von Erich Fried.
Wenn wir mit dem, was wir erleben in einen Konflikt geraten sind, dann hat es nichts damit zu tun, wie unsere Realität ist, sondern damit, dass unsere Vorstellungen, Erwartungen, Ideen, Bedürfnisse und Konzepte mit der Realität nicht übereinstimmen. Normalerweise beginnen wir in solchen Situationen auf die Realität einzuwirken, indem wir kontrollieren, manipulieren, erziehen, diskutieren, Vorwürfe machen, beleidigt oder wütend werden oder uns als Opfer der äußeren Umstände fühlen.
Wenn sich unsere Vorstellung mit dem, was wir erleben nicht trifft, dann kann es leicht zu inneren und äußeren Konflikten kommen, was dann zu sehr unangenehmen Gefühle führen kann. Wir wollen eben, dass es anders ist, als es gerade ist. Da die Realität, in dem Moment, in dem sie geschieht tatsächlich so ist, wie sie ist und wir daran absolut nichts ändern können – also in dem Augenblick, in dem sie passiert – ist es von Vorteil, sich mit den persönlichen Vorstellungen immer mehr der Realität anzunähern, um Konflikte und die dazu gehörigen Gefühle zu reduzieren.
Als Realität sehe ich das, was wir gerade erleben, das, was im Moment passiert. Realität ist etwas, das unabhängig von unserem momentanen Denken existiert. Die Realität existiert einfach und wenn wir sie erleben, dann finden wir sie gut oder schlecht, doch das interessiert die Realität nicht. Sie ist, wie sie ist. Es ist so ähnlich wie mit dem Wetter. Es ist einfach so, wie es ist, völlig unabhängig davon, wie wir das finden.
„An sich ist nichts weder gut noch böse. Das Denken macht es erst dazu.“ William Shakespeare
Mann könnte sagen, dass unser Denken parallel zu dem existiert, was im Moment geschieht. Wie zwei Säulen stehen Realität und Denken nebeneinander. Wenn wir DENKEN, dann sortieren wir alles was geschieht gedanklich ein, indem wir es bewerten. Wir versuchen, alles in unser persönliches Wertesystem einzuordnen. Und wenn die Realität nicht mit unserem Wertesystem übereinstimmt, dann reagieren wir darauf, indem wir die Realität verändern wollen, sie ablehnen oder festhalten. Wenn wir SIND, dann erleben wir die Realität einfach so, wie sie ist – Kinder können das sehr gut.
Zur Realität gehört alles, was geschieht – auch unser Denken. Wenn die Realität ein Meer wäre, dann ist das Denken ein Tropfen in diesem Meer. Oft erleben wir es jedoch anders herum. Unsere Vorstellungen kommen uns meistens vor, wie der Nabel der Welt und die Welt sollte sich darum kreisen und sich ihnen anpassen. Nicht wahr?
„Es ist, wie es ist …“ zu denken, löst bei den meisten Menschen eine interessante Reaktion aus: „Dann ist ja alles egal. Dann kann ja jeder machen, was er will. Nichts ist mehr von Bedeutung …“ Diese Reaktionen finde ich völlig verständlich, da uns unsere Vorstellungen, Prinzipien, Bedürfnisse und Ideen einfach sehr wichtig sind und das ist auch gut so, nur leider setzen wir immer wieder voraus, dass unsere Vorstellungen bedeutender seien, als die Realität, anstatt beides nebeneinander stehen zu lassen.
Menschen, die eine intensive Erziehung erfahren haben und denen nachdrücklich bestimmte Normen und Werte vermittelt wurden, fällt es in der Regel schwerer, die Realität so zu nehmen, wie sie ist. Auch unerfüllte kindliche Bedürfnisse führen dazu, dass wir mit dem, was gerade ist, immer wieder ringen.
Im Grund ist niemand frei von Vorstellungen, da unsere Persönlichkeit komplett aus Konzepten besteht. Zu erkennen, dass unsere Konzepte parallel zur Realität laufen und gleichzeitig Teil dieser sind, kann einiges in unserem Leben erleichtern. Natürlich sollten wir nicht auf die Idee kommen, unsere Konzepte (Ego)völlig auflösen zu wollen, denn damit lösen wir ja unsere Persönlichkeit auf und das will doch keiner, oder ;o) Wir können aber unsere Konzepte so verändern, dass sie sich der Realität annähern.
Auf die Realität haben wir keinen Einfluss, wenn sie geschieht, jedoch darauf, wie wir auf sie reagieren. Nähern wir uns mit unseren Vorstellungen der Realität an, dann erleben wir uns nicht nur als Tropfen, sondern immer häufiger als das Meer – wir SIND dann – und reagieren entspannter, offener, liebevoller und kreativer im Umgang mit dem Leben.
Um Konzepte verändern zu können, müssen wir sie uns erst einmal ins Bewusstsein rufen. Am besten zuerst jene, die uns Probleme bereiten, da sie immer wieder mit der Realität kollidieren.
Beispiele für Konzepte, die zu Schmerz führen können:
Mein Papa sollte mich sehen und wertschätzen.
Meine Mama sollte liebevoller und anwesender sein.
Meine Kinder sollten hören, wenn ich ihnen etwas sage.
Ich sollte weniger essen.
Ich sollte gelassener sein.
Und wie sieht die Realität aus?
Mein Papa sieht mich nicht und er hat keine Geste der Wertschätzung für mich.
Meine Mama hält mich auf Abstand.
Meine Kinder hören erst, wenn ich alles fünf mal sage oder laut werde.
Ich esse viel.
Ich werde schnell ungehalten.
So groß wie der Unterschied zwischen Konzept und Realität ist, so groß ist auch der Schmerz und das Leid, die in der Spannung zwischen den beiden verursacht werden.
Eine gute Methode, diese schmerzverursachende Spannung zu verringern, ist es, wenn man seine Konzepte so verändert, dass sie sich der Realität annähern. Da wir an der Realität, in dem Moment, in dem sie geschieht, nichts ändern können, ist der Versuch sinnlos, sie den eigenen Konzepten anpassen zu wollen. Da wir jedoch einen großen Einfluss auf das haben, was wir denken, können wir jeder Zeit daran etwas ändern, wenn wir das wollen.
Und wenn wir erst einmal die Spannung zwischen Realität und unserer Vorstellung verringert haben, dann finden wir auf ganz natürliche Weise zu einem freien, spielerischen und unbeschwerten Umgang mit uns und unseren Mitmenschen.
Konzept:
Meine Mama sollte liebevoller und anwesender sein.
Realität:
Meine Mama hält mich auf Abstand.
Neues Konzept:
Meine Mama darf so sein, wie sie ist.
Oder: Ich werde liebevoller mit mir sein.
… dies ist eine leicht abgewandelte Form. Byron Kathie ist die Entdeckerin dieser wunderbaren Methode, die uns helfen kann, inneren Frieden zu finden, indem wir unser Denken ändern.
Viel Spaß beim Konzepte wandeln!